RaDeschnig und das Altersheim der Zukunft

Es ist ein heikles Thema, dessen sich das Geschwisterduo RaDeschnig im aktuellen Programm angenommen hat: Die jungen Kärntnerinnen bringen uns mit jeder Menge schwarzem, aber auch sehr feinfühligem und musikalischem Humor die Geschehnisse in einem futuristischen Altersheim näher. kabarett.at hat nach einem Auftritt im Theater am Alsergrund zum Interview gebeten.

"A Zimmerl zum Leben" heißt das zweite Programm von Birgit und Nicole Radeschnig. Genauso heißt aber auch das futuristische Altersheim, in das das Publikum im Rahmen eines Tages der offenen Tür Einblicke gewinnt. In einer Tour durch das Haus lernen wir einige der Bewohner kennen und erfahren ihre teils traurigen, teils lustigen Geschichten. Ebenfalls mit dabei: Roboterpfleger und "Mädchen für alles" Marvin sowie eine Hauskatze, die man besser nicht auf den Schoß nehmen sollte. Im Interview mit kabarett.at sprechen die Zwillingsschwestern über schwarzen Humor, die Verlogenheit der Musicalbranche, den allgegenwärtigen Fasching in Kärnten und die neue Aufbruchsstimmung in der jungen Kleinkunstszene.


Ein Altersheim in der Zukunft als Thema für ein Kabarettprogramm. Es hätte sicher einfachere Themen gegeben. Wie kommt man auf so eine Idee?
Wir haben einen engen Bezug zu der Thematik. Unsere Mutter arbeitet in einem Altersheim und auch unsere Großmutter hat ein halbes Jahr darin verbracht. Deshalb waren wir selbst oft dort und erlebten mit, wie sich die Dinge entwickeln: Es gibt immer mehr Heimbewohner und immer weniger Personal. Die Pfleger haben dadurch immer weniger Zeit, sich um den/die Einzelnen/n zu kümmern. Aufgrund dieser Erfahrungen haben wir beschlossen, unser zweites Programm diesem heiklen Thema zu widmen. Wir haben uns überlegt, wie die Altenbetreuung in der Zukunft aussehen könnte, wenn die aktuelle Entwicklung weitergeht. Natürlich haben wir das Szenario überzeichnet, aber nach unseren Erfahrungen geht die Tendenz in diese Richtung.

Euer Programm ist künstlerisch sehr aufwändig, beinhaltet neben einer Handlung auf verschiedenen Ebenen auch viel Musik. Wie lange habt ihr daran gearbeitet und wie läuft euer Schaffensprozess ab?
Die Arbeit an diesem Programm hat knappe 2 Jahre gedauert. Am Anfang steht immer die Einigung auf ein Thema, in diesem Fall eben Altersheim. Danach sammelt jede von uns für sich Ideen. Wenn wir diesen Grundstock dann gemeinsam sichten, bleibt meistens nur noch ein Bruchteil über. Danach versuchen wir einen Rahmen zu finden, also eine konkrete Geschichte. All das passiert schriftlich. Wenn dann ein Grundgerüst steht, beginnen wir gemeinsam mit dem Proben. Auch das nimmt viel Zeit in Anspruch, weil wir nur Inhalte in die endgültige Fassung übernehmen, mit denen wir beide zufrieden sind. In diesem Fall haben wir sehr lange daran gefeilt, wie wir die Heimbewohner/innen würdevoll darstellen, ohne in Klischees nach der Art von "Narrisch guat" zu fallen.

Wie werden dann die musikalischen Elemente eingebracht?
Auch das ist ein gemeinsamer, eher langwieriger Prozess. Es ist uns wichtig, dass die Lieder gut in das Handlungsgerüst eingebettet sind. Wir wollen kein reines Musikkabarett machen, sondern eine Geschichte mit verschiedenen Mitteln erzählen. Manche dieser Mittel sind Lieder.

Das Programm ist teilweise sehr "schwarz", das Lachen bleibt oft im Hals stecken. Vertretet ihr eine Form des Kabaretts, die auch mal unangenehm sein darf?
Das hat sich im Lauf des Schreibens so ergeben. Wir haben nicht von vornherein gesagt, wir möchten ein total schwarzhumoriges Programm machen. Aber persönlich mögen wir schwarzen Humor schon sehr gerne. Deshalb und auch wegen des Themas hat sich das wohl so entwickelt.

Eines der Lieder, das im Programm für die meisten Lacher sorgt, ist eine Musical-Persiflage. Auch sonst gibt es einige Seitenhiebe auf die Musical-Branche. Wie kommt das?
Wir haben ja beide am Konservatorium Wien ein Musical-Studium absolviert und Nicole hat dann zwei Jahre in Stuttgart bei großen Produktionen mitgespielt. Die Branche der großen Musicals ist eine sehr brutale und verlogene, die jungen Künstler werden dort geradezu verheizt. Wegen dieser Erfahrungen wollten wir einige Seitenhiebe auf diese Szene einbringen. So ist die Idee entstanden, dass im "Zimmerl zum Leben" auch zwei verbrauchte Musical-Darstellerinnen wohnen, von ihren Erfahrungen erzählen und eine alte Nummer vortragen.

Habt ihr alle Verbindungen zur Musicalbranche gekappt?
Nein, das nicht. Wir wollen nur nichts mehr mit den großen Produktionen zu tun haben. Wir arbeiten nach wie vor und gerne an kleineren Musiktheater- und Schauspielprojekten. Dieses zweite Standbein ist wichtig und führt dazu, dass wir nicht ausschließlich vom Kabarett abhängig sind. Diese Zweigleisigkeit ermöglicht es uns, künstlerisch relativ frei zu agieren. Außerdem haben wir dadurch auch getrennt voneinander unsere Projekte und sind nicht ständig beisammen. (Lächeln)

Eure Schlagerparodie "Der Löschzug" kommt nicht nur im Programm vor, sondern existiert auch in einer viel gesehenen Videofassung bei YouTube. Wie kam es zu diesem Lied?
Wir waren in Hannover in ein Kurzfilmprojekt involviert, und dort ist im Rahmen eines gemütlichen Abends spontan die Idee aufgekommen, wir könnten bis zur Premiere des Films einen Schlager schreiben. Zufällig ist gerade ein Feuerwehrauto vorbeigefahren und somit hatten wir einen Titel. Erschreckenderweise ist die fertige Nummer dann so authentisch geraten, dass wir vermutlich wirklich in der Schlagerbranche damit reussieren könnten. Weil das Ding so populär wurde, haben wir es dann auch mit ins Programm genommen.

Die Kabarettszene in Österreich ist stark männlich dominiert. Wenn Frauen Kabarett machen, dann dreht es sich häufig um Klischees wie Schwangerschaft, Männergeschichten, Wechseljahre, etc. Ihr geht inhaltlich einen ganz anderen Weg. Was sind eure Erfahrungen als Frauen in einer nach wie vor männlich dominierten Szene?
Wir könnten mit diesen typischen "Frauenthemen" im Kabarett nichts anfangen, wahrscheinlich würde uns dazu nicht viel einfallen. Was das Standing als Frauen in der Szene betrifft, kommt es sicher darauf an, wo man spielt. In Wien ist das sicher kein Thema, aber in der Provinz kann es schon noch vorkommen, das Männern seitens der Veranstalter hin und wieder der Vorzug gegeben wird. Generell spielt aber gerade in der jüngeren Szene das Geschlecht kaum eine Rolle. Zwar gibt es immer noch weit mehr Männer, aber zunehmend auch Frauen, die sehr gutes Kabarett machen, etwa unsere Freundinnen von Flüsterzweieck.

Thema Kärnten: Humormäßig verbindet man das Bundesland ja eher mit Faschingsgilden als mit kritischem Kabarett. Allerdings gibt es mit dem Humorfestival Velden auch eines der interessantesten Festivals des Landes. Wie ist es um die Kleinkunst in Kärnten bestellt?
Die Allmacht des Faschings ist sicher mit ein Grund, warum so wenig Kabarett aus Kärnten kommt. Viele junge Talente finden sich bald in einer der Faschingsgilden wieder, wo sie dann entweder bleiben, oder es vergeht ihnen schnell ganz die Freude an der Sache. Der Fasching ist in Kärnten mittlerweile ja so allgegenwärtig, dass es das ganze Jahr über Auftritte gibt, die dann sogar noch unter dem Label "Kabarett" vermarktet werden. Damit entsteht beim Publikum auch ein falscher Eindruck vom Kabarett an sich. Insofern hat es die Kleinkunst nicht leicht. Was uns selbst betrifft, haben wir aber auch in Kärnten unsere Engagements. Es gibt also doch eine Nische, etwa mit dem Festival in Velden, wo wir auch schon dabei sein durften.

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?
Wir haben im September gemeinsam mit unseren Kollegen Hosea Ratschiller, Flüsterzweieck und Gerafi das Projekt "Gemischte Platte - irgendwie Kleinkunst" ins Leben gerufen. Wir gestalten einmal monatlich gemeinsam einen Abend im Kulturcafé Tachles und ab Jänner auch im Kabarett Niedermair. Ziel ist, dass sich die junge Szene vernetzt und gemeinsam neues, junges Publikum anspricht, das vielleicht bisher noch keinen Zugang zur Kleinkunst gefunden hat. Das funktioniert bisher blendend. Es herrscht im Moment Aufbruchsstimmung in der Branche - so viele junge Leute, die auch wirklich innovativ sind und die ausgetretenen Pfade verlassen. Es ist wunderbar, Teil dieser Szene zu sein und wir möchten nächstes Jahr das "Gemischte Platte"-Projekt weiter ausbauen. Für 2014 ist dann ein neues Programm in Arbeit. Darin wird es um die Macht der Zeitungen und Medien gehen und darum, wie diese die Menschen verändern.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

"A Zimmerl zum Leben" von und mit RaDeschnig. Infos und Termine finden Sie in unserem Kalender. (In Kürze folgen weitere Termine für 2013).

"Gemischte Platte - irgendwie Kleinkunst" findet das nächste Mal am 16. 12. 2012 um 19:30 Uhr im  Kulturcafé Tachles (2., Karmeliterplatz 1) statt. Weitere Termine: 12. 1. und 2. 3. 2013, jeweils um 22:00 Uhr im Kabarett Niedermair.

 

Hier noch zwei Videos: Die beiden im Interview angesprochenen Nummern "Wir wollen den Löschzug sehen" und die Musicalparodie "Meine Liebe bringt den König in Gefahr":

 

 

Interview vom 07.12.2012, 17:59 Uhr · rb
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