Niko Formanek: Wider die Comedy-Vorurteile

Er sieht sich als Vorkämpfer des Comedy-Genres in Österreich und leitet mit dem "schmähstadl" den ersten österreichischen Comedy-Klub. Nun geht Niko Formanek mit seiner ersten Soloshow an den Start. Im Interview mit kabarett.at erzählt er über sein Programm, des Publikum in Deutschland und Österreich, und die Vorurteile, mit denen man als "Comedian" hierzulande konfrontiert ist.

Das Begriffspaar Kabarett versus Comedy war und bleibt Gegenstand heftiger und zugleich unscharfer Debatten. Im Kabarett-Kernland Österreich wird Comedy oft als unkritisch, flach, niveaulos und nicht zuletzt deutsch bezeichnet. Wo aber genau liegt der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy? Auf diese Frage haben nur wenige eine Antwort parat. Niko Formanek ist einer, der absichtlich und offenen Auges ins Messer gelaufen ist und sich gerade im österreichischen Anti-Comedy-Kontext für die Comedy engagiert hat: 2010 gründete er im gleichnamigen Lokal den schmähstadl, Österreichs ersten Comedy Club. Als Vorbild diente der bekannte Quatsch Comedy Club in Berlin. Seither sorgen dort jede Woche drei Comedians aus Österreich oder Deutschland für Unterhaltung. Als Moderator agiert Formanek selbst. Bei aller Kritik gibt ihm der Erfolg recht. Der schmähstadl konnte sich als fixe Größe in der Wiener Kleinkunstszene etablieren und macht sich mittlerweile auch regelmäßig auf die Reise in die Bundesländer.

Niko Formanek ist mittlerweile auch auf diversen Comedy-Bühnen in Deutschland gern gesehener Gast. Deutschland, genauer Stuttgart, war dann im Oktober auch Schauplatz der Premiere von Nikos erster Soloshow "nikosex.com". Kommenden Sonntag, 11. 11. 2012, folgt im Schmähstadl die Österreich-Premiere. Aus diesem Anlass trafen wir Niko Formanek zum Interview.

Der Titel deines Programms, "nikosex.com", klingt zugegeben ziemlich reißerisch und plakativ. Setzt du auf die Provokationskeule, um Besucher anzulocken?
Nicht wirklich. Auf den Titel bin ich bei Gesprächen mit KollegInnen, FreundInnen und meiner Familie gekommen. Ich bin sehr lange verheiratet und finde meine Frau so aufregend wie am ersten Tag, als wir uns kennenlernten. Ja, auch körperlich. Und ich halte Sex für die schönste Sache der Welt. Aber Familienstress, Job, Kinder, Internet, etc. machen es oft schwierig diesen Teil einer Beziehung unterzubringen und zu genießen. Ich arbeite unerlässlich daran und da haben alle gemeint, dass sei meine persönliche Form der körperlichen Zuneigung, also nikosex. Und weil wir im digitalen Zeitalter leben wurde daraus nikosex.com. Marketingtechnisch war das gar nicht so brillant, weil ich bin mit nikosex.com bei vielen Einladungen, Emails, etc. immer im Spam-Filter der Angeschriebenen gelandet.

Kannst du für unsere Leser kurz umreißen, worum es im Programm geht?
Ich bin seit mehr als 25 Jahren mit derselben Frau verheiratet und würde am liebsten jeden Tag mit ihr Sex haben. Aber das ist heute nicht mehr normal. Selbst mein Sohn ist unlängst nach Hause gekommen und hat gesagt: "Papi, ich will endlich eine normale Familie." Auf unsere Nachfrage meinte er: "Der Lukas in meiner Klasse hat eine Mama, drei Papas und elf Großeltern. Der hat zu Weihnachten 50 Geschenke bekommen. Bei uns gibt es immer nur euch zwei. "Das ist die Realität in wir leben, in der ein Paar, das so lange glücklich zusammen ist als unnormal gilt. Und ein Mann der nach 25 Jahren noch immer seine Frau für die aufregendste und attraktivste hält und so lange monogam ist, kann auch nicht normal sein. Im Programm erzähle ich, wie ich verunsichert in Psychotherapie gehe, weil ich wissen will, ob ich verrrückt bin oder der Rest der Welt.

Vor der Österreich-Premiere hast du "nikosex.com" bereits in Stuttgart vorgestellt. Das ist für österreichische Kabarett-Verhältnisse durchaus ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie ist dein Programm vor deutschem Publikum angekommen?
Ich spiele seit über einen Jahr regelmäßig auf vielen deutschen Bühnen und bei allen großen Comedy-Mixed-Shows wie z.B. dem Quatsch Comedy Club, Schmidts Mitternachtsshow in Hamburg, u.v.a. Das Tolle am deutschen Publikum ist, dass sie - zumindest meiner Erfahrung nach - nicht mit fix vorgefassten Meinungen, Erwartungen und Ressentiments in Shows kommen. Sie wollen einfach nur gut unterhalten werden. Mit oder ohne Tiefgang, aber das Publikum erwartet immer hohe, professionelle Qualität. Und weil das Publikum offen ist, gibt es in Deutschland auch so eine große Bandbreite guter und qualitativer Unterhaltung. Vom politischen Kabarett, über Variety, Clownerie bis hin zu Stand Up Comedy. In Österreich pflegt man am liebsten das Vorurteil, dass Deutsche keinen Humor haben und alles primitiv und blöd ist. In Wahrheit kennen die, die darüber großspurig urteilen, aber nur zwei bis drei Comedians aus dem Massen-TV.
Ich habe die Neugier und die Bereitschaft sich auch Neues anzusehen in Deutschland sehr zu schätzen gelernt und deshalb entschieden, die Premiere dort zu spielen. Es war die richtige Entscheidung. Das viele positive Feedback hat mich unheimlich gefreut und demütig gemacht. Wenn man in Österreich eine Comedy-Premiere macht, dann kann man die meisten Kritiken schon vorab schreiben und formulieren. Die Vorurteile in diesem Land sind so groß, so fest und unverschiebbar, dass man auf keine positive Resonanz hoffen kann. Egal wie gut und professionell die Show auch war. Aber, das ist kein Grund, es nicht zu versuchen. Und mit dem positiven Rückenwind aus Stuttgart wird das auch in Wien sicher toll.

Du bezeichnest dich selbst eher als Comedian (im Gegensatz zu "Kabarettist"). "Comedy" ist im österreichischen Kontext nicht gerade ein positiv besetzter Ausdruck und wird oft als minder gegenüber dem "seriösen" Kabarett bezeichnet. Worin besteht deiner Ansicht nach der Unterschied zwischen Comedy und Kabarett? Oder gibt es den gar nicht?
Das stimmt. Comedy ist nicht nur "nicht gerade postiv" besetzt. Die Vorurteile gegenüber der Comedy werden so intensiv und fast liebevoll gepflegt, dass es oft schon unangenehm ist, diesen Umstand KollegInnen aus Deutschland, England oder den USA immer wieder erklären zu müssen. Trotzdem tauchen im TV und in den Medien in Österreich alle Kabarettisten plötzlich unter der Ankündigung "Comedy" auf. Wir können natürlich weiterhin darauf bestehen, dass alle Menschen, die Comedy mögen, und vor allem das junge Publikum, deshalb primitive Deppen sind. Ich glaub das nicht. Nein, ich kann sicher sagen dass es nicht so ist. Ich habe in Edingburgh in Schottland Comedy gesehen, die weit sozialkritischer, intelligenter und aufwühlender ist, als alles das es je bei uns gegeben hat. Aber dazu muss man halt auch einmal offen und ehrlich über die Grenzen hinwegsehen. Ich kann aber auch verstehen, dass das nur wenige Menschen wirklich möchten. Dazu gehört Selbsbewußtsein und nicht Arroganz. Dazu gehört die Bereitschaft offen zuzuhören und nicht nur abzuwerten und zu kritisieren. Ich habe nur ein Ziel: Menschen so gut wie möglich zu unterhalten. Und egal ob Comedy oder Kabarett, die Menschen gehen aus dem Theater raus und sagen: "Das war großartig." oder "Das war schlecht." Niemand interessiert sich für das Label. Das sind Begriffe, die sich eine verunsicherte Generation in einem kleinen Land geschaffen hat, um so ihren Markt zu schützen. Auf der Bühne zählt nur die Performance. Völlig egal ob Comedy, Kabarett, Artisitik, Clownerie. Es geht ja in diesem Land so weit, dass KollegInnen in Österreich "Kabarett" auf das Plakat schreiben und in Deutschland dann "Comedy". Es gibt Häuser in Österreich, die nehmen KünstlerInnen nicht, wenn sie "Comedy" machen, ohne je gesehen zu haben wie gut sie sind. Wie lächerlich ist denn das? Aber es ist leichter zu schubladisieren als sich etwas ernsthaft anzusehen und selbst ein Urteil zu bilden.

Du bist Initiator und Moderator des "schmähstadls", des ersten österreichischen Comedy-Clubs. Bitte erzähl uns, was das besondere an dieser Veranstaltungsreihe ist, und was sie von klassischen Kabarett-Abenden unterscheidet.
Der schmähstadl ist eine Comedy-Mixed-Show. Die Show ist nichts anderes als eine große Chance für alle Beteiligten. Das Publikum bekommt immer mindestens drei verschiedene KünstlerInnen zu sehen, die oft völlig verschiedene Arten von Kabarett und Comedy zeigen können. Für das Publikum bedeutet das Abwechslung, kurze, intensive und unterhaltsame Auftritte und eine schnelle Show. Für etablierte KünstlerInnen bedeutet die Mixed-Show, sich neuem Publikum präsentieren zu können oder auch neues Material auszuprobieren. Und für junge KollegInnen sind Mixed-Shows oft die erste Chance, aufzutreten, da man da auch mit 15 Minuten Material bestehen kann. Es besteht die Möglichkeit, mit erfahrenen KollegInnen zu spielen, von ihnen zu lernen und sich einem großen Publikum zu präsentieren. Es ist absurd zu glauben, dass es irgendwo auf der Welt eine KollegIn oder eine KabarettistIn gibt, die vom ersten Moment an ein Publikum 90 Minuten lang unterhalten und fesseln kann. Deshalb gibt es in den Ländern mit den erfolgreichsten Comedy-, Kabarett- und Kleinkunsttraditionen schon immer die Mixed-Show, um für neue Leute Chancen zu eröffnen. In Österreich versuchen wir mit dem schmähstadl eine solche Plattform zu bieten.

Was sind deine Pläne für die Zukunft, sowohl als Solokünstler als auch mit dem Schmähstadl?
Meine Pläne für die Zukunft sind groß. Ich möchte natürlich versuchen, als Solo-Künstler in Deutschland noch erfolgreicher zu werden. Sozusagen jetzt den Sprung von den großen Comedy-Clubs zu regelmäßigen Solo-Shows. Das gleiche gilt für Österreich. Ab nächstem Sommer werde ich mich dann zunehmend auf den englischen Markt konzentrieren, denn ich werde am Fringe-Festival in Schottland teilnehmen. Das ist eine harte Schule, aber wenn man sich halbwegs durchsetzt, dann hat man dann auch plötzlich in diesem Markt eine Chance. Wenn ich träumen darf, dann stelle ich mir vor, ab Herbst 2013 vielleicht ein paar mal in größeren Comedy-Clubs in London, Manchester oder Edinburgh zu spielen. Das wäre toll.

 

Niko Formaneks Soloshow "nikosex.com" hat am 11. November 2012 im Schmähstadl Österreich-Premiere. Alle weiteren Termine finden Sie in unserem Kalender. Infos zur Vernstaltungsreihe schmähstadl und Ticketinfos bei www.schmaehstadl.at

 

 

Interview vom 07.11.2012, 17:11 Uhr · rb
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