Gerafi und die Düsternis der Zukunft

Das junge Musikkabarett-Duo Gerafi präsentiert am 21.10. die Premiere seines neuen Programms mit dem kryptischen Titel "ZONGO [Liebe ist doch analog]". Darin zeichnen sie das düstere Bild einer absurd-technisierten Zukunft. Aber es geht auch um die Liebe in Zeiten der allumfassenden Digitalität. Wir haben uns mit Gerafi unterhalten.

Gerald Dell'Mour und Rafael Wagner bilden gemeinsam das Duo Gerafi und gehören zum inneren Kreis jener jungen Wiener Kleinkunstszene, die das Genre seit einigen Jahren mit einer beachtlichen Dynamik und Innovationsfreude um neue Facetten erweitert. Dazu gehört auch der Schritt hin zu Spielstätten und Publikumssphären, in denen Kabarett bislang kein Thema war. Paradebeispiel ist das Projekt "Gemischte Platte", dem neben Gerafi auch RaDeschnig und Flüsterzweieck sowie wechselnde Gäste angehören, und das sich explizit an ein studentisches Publikum richtet. Seit kurzem findet man auf YouTube auch ein aufwändig produziertes Video von Gerafis "Christenrap" (siehe unten) - unter Mitwirkung vieler alter und junger Bekannter der Szene.

Nach ihrem Debut "Gerafi Liederabend - Ein Traum von Freundschaft" haben Dell'Mour und Wagner nun ihr zweites abendfüllendes Programm "ZONGO [Liebe ist doch analog]" fertiggestellt. Darin begibt sich in einer düsteren Zukunft der Journalist Frank Future auf die Suche nach der perfekten Story - und erhält dabei Antworten auf Fragen, die er nie gestellt hat. Weiters macht der geneigte Zuschauer Bekanntschaft mit rappenden Kleinkindern, einer nervenden Pizzaschachtel und natürlich dem ultimativen Liebeslied. Wir haben uns mit Gerafi über "ZONGO", die junge Kleinkunstgeneration und die nahe und fernere Zukunft unterhalten.

Wer oder was ist ZONGO?
ZONGO ist das ultimative Gimmick! Wenn man so will, eine Horrorversion vom Smartphone der Zukunft, das so viele Vorteile hat, dass man daran zugrunde geht.

Laut Pressetext zeichnet ihr im neuen Programm das Bild einer „absurd-technisierten Zukunft“. Klingt auf den ersten Blick nicht sehr lustig. Könnt ihr ein bisschen genauer umreißen, worum es gehen wird?
Das spannende, lustige oder traurige ist, dass wir jetzt schon in einer absurd-technisierten Zukunft leben!
Wir merken es nur nicht, weil wir es Gegenwart nennen. Hart zusammengefasst geht es in Zongo - typisch dystopisch - um einen Menschen, dem die Augen geöffnet werden. Und natürlich um die Liebe!

Das Motiv einer düsteren Zukunft ist ein klassischer Topos in Film, Literatur, Comic usw. Seid ihr selbst Science Fiction-Fans? Und gibt es Werke, die ihr als Einflüsse für das Programm nennen könnt?
Gerald: Ja, einerseits die Klassiker: 1984, Brave New World, Fahrenheit 451, dann ganz viel Asimov und SciFi der 70er Jahre, aber auch moderne Werke wie Ted Williams “Otherland” oder Greg Egans “Diaspora”.
Rafi: ...ich lese eh auch Bücher! Aber mich haben mehr die unterschiedlichen Genres selbst fasziniert, bzw. wie man sie verbinden und mit den Klischees spielen kann. Zongo ist eine Mischung aus Detektivstory, Zukunftsroman, Film Noir, Manga und Pistazieneis!

Nimmt man das heimische Kabarett als Gradmesser, so ist das Zukunftsthema ebenfalls ein eher ungewöhnliches. Habt ihr unter den österreichischen Kleinkünstlern Vorbilder?
Ja, sehr viele, zu viele um sie hier alle aufzuzählen! Jeder und jede hat in unseren Augen etwas, das wir besonders beeindruckend und zum Teil auch -flussend finden: BlöZingers Charakter-Facettenreichtum, die Bühnenprofessionalität unserer Kolleginnen von Flüsterzweieck und RaDeschnig, Clemens Maria Schreiners Sprachverspieltheit, der Stipsits’sche Charme, Hosea Ratschillers Mut, das Publikum mit unangenehmen Situationen zu konfrontieren, Berni Wagners Durchgeknalltheit, ...und viele(s) mehr!

Gibt es technische Errungenschaften in unserer aktuellen Welt, die ihr als potentiell bedrohlich empfindet?
Die größte Gefahr sehen wir darin, dass sich die Menschheit technisch schneller weiter entwickelt, als wir unser soziales Verhalten anpassen können!

Ihr seid von Anfang an Mitglieder der „Gemischten Platte“, eines regelmäßigen Mixed-Abends, der sich auch gezielt an junges, studentisches Publikum richtet. Damit spielt ihr gegen die vielzitierte Überalterung des Kabarettpublikums an. Gibt es diesbezüglich Erfolge zu vermelden? Gibt es mittlerweile eine nennenswerte junge Generation an Kabarettfans?
Das Projekt Gemischte Platte läuft super! Wir sind jedes mal gut besucht, die Stimmung ist sehr entspannt und das Feedback sehr positiv. Die wunderschönen Überraschungsgäste sind und bleiben eine wunderschöne Ergänzung zu den drei Duos. Was aber sicher mitspielt ist, dass wir im Tachles nur 5€ verlangen und es im Niedermair Studenten-Karten um 4€ gibt.
Die junge Generation gibt es und sie wächst. Sie ist aber zum Teil noch nicht bereit, Theaterpreise für Kabarett auszugeben.

Seit kurzem findet sich auf YouTube das Video zu einer eurer bekanntesten Nummern, dem „Christenrap“. Dieses sieht sehr professionell aus und es spielen viele bekannte Kleinkünstler mit. Ich stelle mir vor, dass die Dreharbeiten dazu anstrengend, aber auch sehr lustig waren…?
Korrekt. Sehr anstrengend, phasenweise sehr lustig, aber vor allem sehr beeindruckend:
Es ist ein Wahnsinn, wie viele Menschen - vor und hinter der Kamera - Zeit, Energie und Talent in dieses sehenswerte Projekt gesteckt haben! Wir sind extrem stolz über und dankbar für das kabarettistische Line-Up, das wir da zusammenstellen konnten! Das muss man sich mal auf den Augen zergehen lassen: Simon Pichler und Leo Lukas sind als Gott & Teufel einfach teuflisch herrlich!  Vinzent Binder, Hosea Ratschiller und die Radeschnig-Schwestern überraschen als konservative Warteraum-Christen. Und nicht zuletzt durften wir in diesem Video Flüsterzweieck, 2gewinnt und Berni Wagner als Sünder erfolgreich bekehren!

Was bringt die nähere Zukunft, außer möglichst viel Erfolg mit „Zongo“?
Abgesehen davon, Zongo jetzt endlich vor Publikum spielen zu dürfen, freuen wir uns im Moment vor allem auf unser „Gemischte Platte Silvester-Spezial“ im Kulturzentrum Bildein im Burgenland!

Wir danken für das Gespräch!
 

Die Premiere von "ZONGO [Liebe ist doch analog]" findet am 21.10.2014 im Theater am Alsergrund statt. Alle weiteren Termine finden Sie in unserem Kalender.

Und hier sehen Sie das Video zu Gerafis "Christenrap":

Interview vom 17.10.2014, 17:27 Uhr · rb
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