Thomas Maurer im Gespräch über sein "Neues Programm"

Mit Standing Ovations wurde Thomas Maurers jüngste Arbeit nach der Premiere im Wiener Stadtsaal bejubelt. kabarett.at hatte das Vergnügen, mit dem vielbeschäftigten Kabarettisten und Autor zu plaudern, u. a. darüber, warum sein Solo schlicht "Neues Programm" heißt, über das Schreiben in Halb-Trance, seine nächsten Projekte, die Anfänge im Niedermair und die Bedeutung des Lesens für den Schreibenden.

Dein neues Programm heißt schlicht „Neues Programm“, und auch der Pressetext verrät nicht viel über den Inhalt. Warum hältst du dich so bedeckt?
Es ist in der Kabarettbranche üblich, einen Premierentermin ziemlich langfristig zu fixieren. Dementsprechend früh soll auch das Pressmaterial fertig sein. Das widerspricht gewissermaßen meinem Arbeitsprozess und auch dem vieler Kollegen. In diesem Fall habe ich mir etwa drei Monate Zeit zum Schreiben genommen und eigentlich hätte schon ganz am Anfang dieser Spanne Titel und Pressetext fertig sein sollen. Ich hatte da aber erst recht vage Vorstellungen, wie das fertige Programm aussehen wird. Also habe ich beschlossen, es einfach "Neues Programm" zu nennen. Wie ich herausgefunden habe, hat das bisher noch keiner vor mir gemacht. Aber ich weiß, dass es viele gern getan hätten. Zu meiner Verteidigung muss ich aber auch sagen, dass es im Programm letztlich dann doch einige Bezüge zum Titel gibt.

Kannst du unserer Leserschaft in kurzen Worten sagen, worum es geht?
Das ist nicht ganz einfach, weil das Programm auf den ersten Blick als etwas anderes daherkommt, als es wirklich ist. Es wirkt eher ungekünstelt, hat aber in Wirklichkeit doch eine recht straffe Chronologie. Ausgangspunkt meines Interesses war die Finanzkrise und die Art und Weise, wie Kapitalismus gedacht und gesprochen wird, auch wie er sich anfühlt. Damit war ich dann recht schnell beim Thema Amerika, allerdings dem imaginierten, fiktiven Amerika, das in unseren Köpfen verankert ist. Von da war es nicht weit zum Blockbuster-Film, der wahrscheinlich kapitalistischsten Kunstform überhaupt. All das hat von den Assoziationsfeldern her sehr gut zusammengepasst und auf dieser Basis habe ich dann zu arbeiten begonnen.

Wie läuft dein Arbeitsprozess ab und wie lange hast du an dem Programm geschrieben?
In diesem Fall war ich sehr schnell. Das hat mit einer akuten Arbeitsüberlastung zu tun. Deshalb musste ich auf liebgewonnenen Luxus wie wochenlange Schreibblockaden verzichten. Ich scheine leider zu den Menschen zu gehören, die unter Druck am besten funktionieren. Ich arbeite am effizientesten, wenn ich mich über längere Strecken ausschließlich mit dem Schreiben beschäftige. Ich gerate dann in einen recht merkwürdigen Halb-Trancezustand, in dem sich fast alles um das Thema dreht, das ich gerade bearbeite. Auch in kurzen Arbeitspausen geht es im Hinterkopf weiter. Dadurch bekomme ich irgendwann ein Gefühl für die Struktur und die Zusammenhänge des ganzen Programmes, weiß, wie sich einzelne Passagen auf die Gesamtbalance auswirken, erkenne, was drin bleiben soll und was raus gehört. In Summe habe ich am "Neuen Programm" sechs bis sieben Wochen geschrieben. Mit der Vorbereitungsarbeit waren es zwei bis drei Monate. Ein Vorteil war auch, dass ich recht früh über den Schluss Bescheid wusste. Das ist wichtig und macht die Arbeit effizienter.

Du bist bekannt für politische Satire, in jüngerer Zeit auch speziell mit den „Staatskünstlern“. Politische Themen sind im Kabarett eine Art Nische geworden. Viele der jüngeren Künstler wenden sich lieber anderen Motiven zu. Kann Satire heute noch etwas bewirken (im Sinne von Aufklärung) oder ist sie ein Auslaufmodell?
Nun, ob Satire jemals etwas bewirkt hat, ist ja generell fraglich. Tucholsky hat ja auch nicht Hitler aufgehalten. Ich denke, so lange das, was ich mache die Leute noch interessiert, ist es in Ordnung. Ich nehme auch mit Freude zur Kenntnis, dass auch junge Leute recht stark bei meinen Vorstellungen vertreten sind. Übrigens waren ja meine Soloprogramme in den ersten zehn, zwölf Jahren nie politisch, zumindest nicht tagespolitisch. Erst 2000 habe ich mit Florian Scheuba "Zwei echte Österreicher" geschrieben. Das war eine ganz bewusste Entscheidung, um das damals völlig verschwundene politische Kabarett wieder zu beleben. Wir waren damals auch vom historischen Unglück begünstigt, weil wir wenige Tage nach Beginn der schwarz-blauen Koalition Premiere hatten. Es war ein explizit gegenwartspolitischer Abend, der damals auch sehr gut funktioniert hat. Also offenbar hat es schon ein Bedürfnis danach gegeben. Heute interessiere ich mich immer noch für tagespolitische Satire, lagere sie aber gewissermaßen aus, etwa auf die Arbeit mit den "Staatskünstlern". Solo beschäftige ich mich lieber mit breiteren Themen, die dann auch nicht so aktualitätsabhnängig sind.

Du bist gelernter Buchhändler und stehst im Ruf, ein Vielleser zu sein. Beziehst du für deine künstlerische Arbeit Inspiration aus der Literatur?
Natürlich gibt es da Einflüsse, aber man kann es schwer an einzelnen Büchern festmachen. Wenn man viel gelesen hat, erweitert sich das Spektrum. Man weiß, was alles möglich und denkbar ist. Dadurch tun sich Assoziationsfelder auf, die ohne dieses Wissen nicht da wären. Was man kulturell konsumiert, wirkt sich sicher auf die eigene Arbeit aus, aber nicht in dem Sinn "so etwas möchte ich auch mal machen". Es entsteht eine Art kulturelle Echokammer, aus der heraus man dann die eigenen Ideen schöpft. Grundsätzlich ist es sicher von Vorteil in einem schreibenden Beruf wie meinem, wenn man viel liest - auch weil sich ein Gefühl für Qualität einstellt.

Im September wurde das Kabarett Niedermair 30 Jahre alt. Du bist einer jener Künstler, die dort ihre ersten Schritte getan haben. Wie gestaltet sich dein persönliches Verhältnis zum Niedermair?
Ohne Niedermair wäre ich wahrscheinlich gar nicht Kabarettist geworden. Zumindest hatte ich damals diesen Wunsch nicht. Es gab einen Nachwuchs-Wettbewerb namens "Sprungbrett". Ich bin leicht betrunken an der Ankündigung vorbei gegangen, habe mich aus einer Laune heraus angemeldet und bin im Weiteren dort aufgetreten. Ich hätte das wahrscheinlich als Episode in meinem Leben abgehakt. Aber das Niedermair hat mich dann fast gezwungen, mein erstes Programm zu schreiben. Und so hat die Geschichte begonnen. Ich spiele auch heute noch regelmäßig und sehr gerne im Niedermair.

Was sind – außer den Auftritten mit dem „Neuen Programm“ – deine Pläne für die nähere Zukunft?
Da gibt es Einiges: Im Frühjahr kommt eine neue Fernsehserie, an der ich mitgeschrieben und sie gemeinsam mit Robert Palfrader auch konzipiert habe. Es wird eine recht drastische TV-Comedy mit Palfrader und Nicholas Ofczarek. Wahrscheinlich wird sie "Bösterreich" heißen. Außerdem habe ich ein fertiges Drehbuch für einen Film, der jetzt offenbar langsam in die Realisierungsphase geht. Ich weiß aber noch keine genauen Details, wann der Film fertig sein wird. Und im Dezember wird es einen großen Jahresrückblick mit den Staatskünstlern geben. Und weil ja das "Neue Programm" auch jemand spielen muss, bin ich bis zum Sommer eigentlich recht gut ausgelastet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Thomas Maurer ist mit seinem "Neuen Programm" ab sofort österreichweit zu sehen. Alle aktuellen Termine finden Sie in unserem Kalender. Tickets gib es u. a. bei ÖTicket.

Artikel vom 16.10.2013, 17:16 Uhr · rb
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